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Volly Tanner mit zipfelmützigen Literaturpreisen

Kennen Sie das Fauser in Leipzig? Nicht? Ich auch nicht – bis zum 12. Mai.  Meine Freundin fand irgendwo einen Hinweis auf „Tanners Terrasse“, von Volly Tanner, in der Lützener Straße in Lindenau, in einem Laden namens „Fauser“. Also nix wie hin, auch wenn ich Fauser und Leipzig nicht so recht zusammenkriege. Volly Tanner haben wir schon mal im Stötteritzer Underground, in der wunderbaren Margerite gehört, das war gut.
„Tanners Terrasse“ präsentiert Literatur und Menschen. Die Premiere findet anstatt draußen drinnen statt, vielleicht wegen der Eisheiligen oder weil der Grill geklaut wurde – egal, drinnen ists ja gemütlich, Eintritt ist frei. Volly Tanner legt los, erzählt von seinem Garten, von Gartenzwergen, die man günstig im Pfennigshop oder auf Märkten hinter der Südgrenze erwerben könne, dazu von Fauser und literarischem Underground. Und er hat es getan, Gartenzwerge gekauft (ca. 2,99), wohlgemerkt ganz uneigennützig, nicht etwa für seinen Garten, auch nicht für die Terrasse, nein, die Zipfelmützer sind der auszulobende Literaturpreis. Denn Tanners Terrasse ist neuer Talentschuppen im Leipziger Literaturbetrieb. Volly Tanner stellt seine Gäste vor: junge Aktivisten der RLF, ja.ja, soll schon so klingen wie RAF, und steht für Radikale Literatur Fraktion. (Im Netz zeigt die RLF als Logo einen roten Fünfzack mit Füller und Patronen, daneben das Motto: „We want you for literary terror“. ) Als Einstimmung auf literarischen Underground, vielleicht auch als Referenz an die neue Wirtschaft, liest Tanner aus Fausers Die Harry Gelb Story, darunter Ein Bier mit Bukowski.  Schön, so hört man mal Fauser, Volly Tanner macht das Spaß und deswegen macht es auch Spaß dabei zuzuhören. Danach kommen die Gäste an die Reihe: Vincent Schatten, Mariann und Max Beckmann von der RLF, sie lesen selbst, könnten aber in der Kunst des Vortrags noch dazu gewinnen, nun, Übung macht den Meister –  und warum nicht beim Fauser üben?  Die Texte, sie wurden als Geschichten und Gedichte vorgestellt, kamen stilistisch eher langweilig daher, und verrieten weder Underground noch „literary terror“. Inhaltlich habe ich leider keine großen Hoffnungsträger vernommen, ich will mich irren… Bei einem Text hörte ich gerne zu, der ging über geriatrische Kriege in Berlin, verfasst von Vincent Schatten. „Literary terror“, naja, vielleicht, wenns viel länger gegangen wäre, wärs schon einer gewesen, – für mich. Emotional läuft es gut, beglückt nehmen die Autoren den ausgelobten Literaturpreis entgegen, und zwei Dutzend Zuhörer spenden Applaus.

Wir werden wieder hingehen, zu Tanners Terrasse, das nächste Mal am 6. Juni, Lützener Str.100. Die Wirtschaft ist eine schwäbische Neugründung, man sitzt herrschaftlich auf Geweihstühlen mit Wildschweinfellbespannung und kann schwäbisch at it’s best Maultaschen speisen, dazu ausgewählte Weine oder Bier, wie man will. Hoch lebe Lindenau!

von altergecko

Ein Kommentar zu “Tanners Terrasse: literarische Maultaschen im Fauser”

  1. defecte Schreibmaschineam 30.05.2010 um 13:07

    volly tanner, ich weiß nicht. ich war schon auf ein paar lesungen von und mit ihm. unbestritten zeigt der mann enormes und unermüdliches engagement, aber als schriftsteller und leser schaffe ich es nicht, ihn zu schätzen. penetranter, nerviger vortragsstil und mental in der hausbesetzerzeit der frühen 90er hängengeblieben, altrevoluzzer auf der suche nach immer neuen feindbildern. das kann man sich maaal antun, dann weiß man aber auch schon bescheid, über das was noch alles kommt.

    neulich wohnte ich einer lesung im darkflower bei „nekromantik und neue dekadenz“ – alles unbekannte autoren, z.t. das erste mal auf einer bühne, ohne bisherige veröffentlichungen (außer in den einschlägigen szene-gothik foren) – das war ungemein erfrischend. werde zu gegebener zeit eine empfehlung aussprechen, wenn wieder etwas ähnliches ansteht…

    und apropos lindenau – ein stadtteil, den ich ob seines ungeheuerlichen kulturangebots hoch schätze – noch vor etwa zwei jahren hat der liebe tanner, an diesem stadtteil in den er sich jetzt zurückgezogen hat kein gutes haar gelassen.. offenbar lag er auch da daneben..

    soll er doch lieber – wie clemens meyer – nach anger crottendorf ziehen oder – wie neo rauch – nach markkleeberg und dort namenlos nörgeln.

    chillige grüße aus reudnitz von der
    defecten Schreibmaschine

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